Warum ich über „Organizational Burnout“ schreibe? Weil es ein extrem spannendes Thema ist und weil das organisatorische Ausbrennen eng im Kontext steht, warum gute Innovationen intern und extern keinen Durchbruch mehr finden können.
Seit Jahren beschäftige ich mich mit der Überlebensfähigkeit von Organisationen. Essentiell dabei sind die Leistungsfähigkeit der Organisation selbst, ihre Fähigkeit zu lernen und sich zu verändern und anzupassen. Dabei stelle ich mir auch oft die Frage „Werden die großen Unternehmen sterben?“ (Xing Diskussion). Immer wieder bemerke ich in meinem Umfeld, dass Unternehmen erstarren und sich von einschneidenden Veränderungen und der Krise kaum erholen können, die Konkurrenz aber schon.
Dabei bin ich auf das Buch „Organizational Burnout“ von Gustav Greve gestossen, das mir sehr viele Einsichten und Antworten lieferte.
Definition
Gustav Greve definiert das Organizational Burnout, das im Prinzip nichts mit dem Burnout von einzelnen Mitarbeitern zu tun hat, als ein erschöpfter und paralysierter Zustand einer Organisation, der als unerwünscht erkannt wurde, aber mit eigenen Ressourcen nicht mehr positiv veränderbar ist.
Rezeptivität
Besonders anfällig für das organisatorische Ausbrennen sind
Alte Organisation.
Bei jungen Organisationen ist meist die Belegschaft ähnlich wie bei der Gründung und der Unternehmenszweck ist noch übereinstimmend mit den Marktanforderungen. Das gegenseitige Vertrauen zwischen Führung und Mitarbeiter wurde noch nicht auf den Prüfstand gestellt. Sie teilen damit den gemeinsamen Corporate Belief.
Große Organisation.
Umso mehr Beschäftigte in einer Organisationseinheit sind, umso schwieriger wird die Zusammenarbeit. Regeln dominieren, kritische Reaktionen von der Basis gelangen nicht zur Führung, die direkte Kommunikation fehlt, Hierarchien wachsen und das Vertrauen fällt.
Mitunter steigt auch die Komplexität, die das Führen der Organisation immer schwieriger macht.
Marktferne Organisationen.
Durch das fehlende direkte wirtschaftliche Feedback (von z.B. Kunden) kann die Organisation nicht vergleichen, wie gut sie ist und ob Verbesserungen notwendig sind. Nur eine tägliche Marktresonanz bewirkt eine ständige Anpassung an die Heraus- und Anforderungen der Umwelt.
Ursachen und Symptome
Gustav Greve beschreibt in seinem Buch eine Unmenge an Ursachen, Symptome und Phasen des organisatorischen Burnouts, wovon ich einige quasi buntgemischt herausgreifen möchte.
Häufiger Strategiewechsel, der viele Ressourcen frisst. Die Mitarbeiter können es kaum mehr hören und das Management wird dadurch unglaubwürdig.
Unspezifische Ziele und fehlende Konkretisierung.
Wertearmut, die Frage nach Zweck und Sinn des Unternehmens und der Arbeit liefert keine moralisch-ethisch vertretbare Antwort.
Fusionen oder unfreundliche Übernahmen durch Investoren – 78,5 % aller Fusionen und Übernehmen sind laut dem IMA zum Scheitern verurteilt, z.B. aufgrund verdeckter Kulturkämpfe.
Die emotionale Bindung und persönliche Identifikation lässt spürbar nach.
Hohe Fluktuation und wenig aktive Bewerbungen führen zu Abgang von Know-How, erhöhte Kosten für HR und Instabilitäten unter der Belegschaft. Interessant ist, dass die Zahl der Initiativbewerbungen ein Frühwarnindikator für den Image- und Marktwertverlust ist.
Ergebnisdruck von Kunden (Qualität, ununterbrochene Verfügbarkeit, verhandelbare Preise), der Eigentümer und Anleger (Wachstum, Gewinne, Kostensenkung und ethisch glaubwürdiges Image) und der Öffentlichkeit.
Isolation der mittleren Führungsebene zwischen oben und unten. Als „Prellböcke“ werden sie von oben zu wenig eingebunden, müssen von unten mehr rausholen und werden von unten als Hindernis gesehen. Führung wird zur Herausforderung.
Ressourcenmangel bei steigendem Anspannungsgrad im operativen Bereich, gepaart mit dem Anspruch der Führung auf höhere Leistungen, führt zu Fehlentscheidungen, Aktionismus, Zweifel und organisatorische Erschöpfung.
Höchstleistungen werden selbstverständlich. Die Erwartungen an den Mitarbeiter werden ständig nach oben geschraubt, allerdings erschöpfen sich die Möglichkeiten der Anerkennung.
Kompetenzdefizite in den Führungsebenen. Bei Misserfolgen wird die Schuld bei den unteren Hierarchien oder im externen Umfeld gesucht oder es wird einfach die Organisation umgestellt. Es fehlt die Erkenntnis des Managements, denn die machen keine Fehler.
Ehrgeizige Reorganisationsprogramme, oft verursacht durch einen Wechsel an der Spitze, die einen sichtbaren Wandel hinterlassen wollen. Diese Programme verschlingen aber viel Zeit und Geld und die Kontinuität und Stabilität leidet darunter.
Angst vor Macht- und Privilegienverlust. Dieser Drang führt dazu, dass Entscheidungen so getroffen werden, dass sie nicht zum Nachteil der eigenen Person sind, aber möglicherweise der Organisation nicht nützen.
Blinde Erfolgsarroganz und damit Blindheit gegenüber externen Veränderungen – Zufriedenheit macht träge. Dadurch blieben innovative Sprünge und organisatorische Weiterentwicklungen aus, da diese in der Vergangenheit auch nicht notwendig waren.
Ausblenden von disruptiven Veränderungen im Marktumfeld.
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Organizational Burnout: Das versteckte Phänomen ausgebrannter Organisationen von Gustav Greve, Gabler Verlag, 2012
Ein sehr empfehlenswertes Buch über die Ursachen, Symptome, Phasen, Folgen, Diagnose, Therapie und Prävention eines organisationalen Burnouts für alle, die verstehen wollen, warum in einer Organisation „nichts mehr funktioniert“ und was man dagegen tun kann, um wieder ganz oben mitzuspielen.
http://www.organizational-burnout.de
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Bildquelle: http://pixabay.com/de/feuer-flammen-brennen-stuhl-175966/
Herzlichen Dank für die punktgenaue Zusammenfassung! Sie liefert einen perfekten Überblick und Einblick in die Themen des Buches. Ich finde das Thema Burnout bei Organisationen ebenfalls höchstinteressant, es verdient m.E. viel mehr Aufmerksamkeit.