Beim Innovationspool der PFI letzten Mittwoch beschäftigten sich zahlreiche Innovations- und F&E-Experten mit dem Thema dezentrales Innovationsmanagement. Auf die Frage, welches die bessere Option ist – dezentral oder zentral, möchte ich hier eingehen.
Zur Definition
Ich beziehe mich auf den Innovations- und Entwicklungsprozess. Ist der zentral organisiert, liefern die Töchter – Vertriebs- und Produktionsstandorte – Probleme, Ideen und Potentiale. Zentral wird die Lösung und ein Produkt entwickelt, das an die Töchtern geliefert wird. Dabei gibt es unterschiedliche Zentralisierungsgrade in Bezug auf die Arbeitsteilung und die Schnittstellen am Front und Back End, z.B.
- Werden nur Probleme und Potentiale oder schon Ideen, Lastenhefte oder Konzepte an die Zentrale geliefert?
- Wie stark ist die Tochter in die Entwicklung eingebunden? z.B. Tests
- Wird auch der Produktionsprozess mitentwickelt?
- …
Beim dezentralen Innovationsprozess werden die Entwicklungen lokal initiiert, entwickelt und gelauncht.
Dabei verschwimmen, wie oben erwähnt, die eindeutigen Grenzen zwischen zentralem und dezentralem Management. Selbst wenn es dezentral organisiert wird, wird die Zentrale in irgendeiner Form immer eingebunden sein und mitmischen und auch umgekehrt.
Vorteile und Nachteile
Viele der Vor- und Nachteile sind ähnlich wie bei anderen Managementprozessen, z.B. Controlling, HR. Hier eine Auflistung der Vorteile bzw. umgekehrt sind es Nachteile für die beiden Optionen.
Zentrales Innovationsmanagement
- Überblick über die Entwicklungen.
- Nutzung von Synergien, Vermeidung von Doppelentwicklungen und Sicherstellung Austausch.
- Nutzen für alle Töchter im Fokus, was auch ein Nachteil sein kann: denn was für alle gut sein soll, ist für keinen gut genug.
- Kompatibilität und Einhaltung Standards, z.B. Produktdatenmanagement, technische Dokumentation.
- Sicherstellung Innovationen in allen relevanten Märkten, vor allem wenn Töchter EBIT gesteuert und belohnt werden und nicht in Innovationen investieren möchten.
Dezentrales Innovationsmanagement
- Schnellere Entscheidungen und somit schnellere Prozesse.
- Lokale Vorteile nutzen, z.B. staatliche Förderungen, Netzwerke zu lokalen Unis und F&E-Institute.
- Nähe zur Produktion.
- Nähe zum Kunden.
- Erfahrung der Mitarbeiter aus dem operativen Bereich nutzen.
- höhere Akzeptanz bei den Töchtern durch die Eigenentwicklung.
- Nutzung bestehender Ressourcen, z.B. Büros, muss keine F&E-Zentren bauen.
- Eigene Finanzierung – keine/kaum Diskussion wer Kosten übernimmt und ressourcenschonendes Agieren.
- Tochter übernimmt Risiko – keine Wunschkonzerte; nur Produkte, die wirklich von Mehrwert.
Die richtige Organisation
Ein Rezept für die richtige Organisation wird es leider nicht geben. Letztendlich ist es wie vieles von den individuellen Anforderungen und Rahmenbedingungen des Unternehmens abhängig. Wird beispielsweise in mehreren Töchtern dasselbe Produkt produziert, macht eine zentrale Entwicklung Sinn. Sind die Produkte unterschiedlich, ist ein dezentrales Innovationsmanagement sinnvoll. Wichtig ist hier aber immer, dass die Zentrale sicherstellt, dass
- Synergien genutzt werden.
- Erfahrungen, Best Practices und Technologien ausgetausch und genutzt werden.
- Die zentralen Standards eingehalten werden.
- Und der Überblick bewahrt wird, dass das zentrale Management eingreifen kann, wenn der Strategiebeitrag gefährdet ist.
Gute Zusammenfassung! Aus meiner eigenen beruflichen Erfahrung weiß ich, dass Unternehmen nicht immer so frei in der Organisation ihres Innovationsmanagements sind. Beispiel: ein anderes Unternehmen mit erfolgreicher Produktpalette und eigener F&E-Abteilung wird übernommen – wie integriere ich diese in meinen Innovationsprozess, ohne die Mitarbeiter zu vergraulen?
Aus der Sicht eines internationalen Konzerns könnte auch ein zweistufiges Modell Sinn machen: es gibt regionale Produkte, die von den Töchtern mit „freier Hand“, aber auf eigene Rechnung entwickelt und vertrieben werden. Schließlich muss nicht jedes Produkt weltweit Sinn machen. Erlangen diese Produkte aber überregionale Bedeutung, könnte sie die Zentrale zu Globalentwicklungen „befördern“ und für den weltweiten Vertrieb sorgen, würde aber auch bei der Entwicklung durch Vorgaben das Heft in die Hand nehmen.
Bezüglich des Problems ähnlicher Produkte: hier muss eine Abwägung stattfinden zwischen der Entwicklungsredundanz („Bauen die am Standort X genau dasselbe wie wir?“) und dem gesteigerten Koordinationsaufwand, den eine zentrale Entwicklung mit sich bringt (Einhaltung der Featurewünsche und Lieferterminen aus verschiedenen Niederlassungen). Oft kann es besser sein, ein gewisses Mass an Redundanz zuzulassen anstatt ein zentrales „Kompromissprodukt“ zu entwickeln, das niemandem nützt.