Prozessinnovation im Sinne der Optimierung von organisatorischen Abläufen und Produktionsprozessen wird meist nicht wie bei der Produktinnovation systematisch gemacht. Hier gibt es signifikante Unterschiede im Approaching. Während Produktinnovation systematisch erfolgt, werden Prozesse mehr oder weniger im Zuge des „Daily Business“ mitinnoviert oder kleine Verbesserungen werden durch den KVP kontinuierlich erarbeitet und umgesetzt.
Siehe dazu auch: Prozess-Innovationsmanagement
Reifegrad von Prozessen
Da Prozessmanagement auch in den Händen der Qualitäter ist, gibt es dazu auch genormte Modelle. 🙂 SPICE ISO 15504 (Software Process Improvement and Capability Determination) ist ein Standard zur Durchführung von Assessments von Unternehmensprozessen. Es stammt aus der Software, ist aber für alle Prozesse tauglich. Es bestimmt den Reifegrad eines Prozesses, das heißt, die Fähigkeit der Organisation, den Prozess durchzuführen und den gewünschten Output in der erforderlichen Qualität, Zeit und Kosten zu liefern.
Innovation = Höchster Reifegrad eines Prozess
Es gibt 5 Reifegradstufen für Prozesse. Die höchste Stufe ist die Prozessverbesserung und Prozessinnovation. Dazu definiert die Norm:
- Proaktive Prozessänderungen und -anpassungen.
- Analyse von Prozessdaten und Abweichungen (z.B. aufgrund Messungen) und deren Ursache, und die Untersuchung von neuen Technologien und Ansätzen als Quelle für Verbesserung und Innovation.
- Änderung und Anpassung der Definition, des Managements und der Durchführung;
und Analyse dessen Wirkung auf die Prozessverbesserungsziele.
5 Reifegradstufen nach SPICE
Prozess-Innovationsprozess
Prozess-Innovations- und Verbesserungsprozesse gibt es viele und jeder kennt sie. Es gibt die Klassiker wie PDCA oder DMAIC von Six Sigma. Das Prinzip ist immer ähnlich:
- Ziele
- Ist-Analyse
- Soll-Analyse
- Umsetzung
- Messung
Hier folgt ein Modell zur Prozessinnovation und -verbesserung, das aus der SPICE-Norm abgeleitet wurde und somit der höchsten Reifegradstufe entspricht.
- Einmalige Innovation aufgrund von Problemen, Unzufriedenheit, Potentialen, neuen Technologien …
- Integriert und permanent Innovation und Verbesserung aufgrund von Abweichungen, regelmäßigem Review …
- Prozessinnovation – erfordert Verankerung in der Strategie und Management Commitment.
- Definition Zweck des Prozesses und seinen Strategischen Beitrag.
- Verbesserungsziele
- Quantitative Ziele, abgeleitet von den Prozesszielen.
- Qualitative Ziele, Erwartungen und Bedürfnisse der Kunden und Stakeholder.
- Analyse Potentiale, Probleme und Ursachenanalyse
- Istanalyse auf Basis der Prozessdefinition (Darstellung Ist)
- Quellen für Potentiale:
- Datenanalyse
- Analyse von Abweichungen
- Unzufriedenheiten, Stakeholder- und Kundenwünsche (z.B. Interviews)
- Ziel: Reduktion von Schnittstellen
- Ziel: Verschwendungen und nicht-wertschöpfende Aktivitäten
- Overengineering des Prozesses
- Doppelarbeiten und Redundanzen
- Reihenfolge ändern
- Best Practices und Benchmarking
- …
- Mögliche Tools – Siehe dazu die 88 Kreativitäts- und Innovationstools
- Kreativitätstools
- Design Thinking Tools
- 5Why
- Six Sigma Tools
- Ursache-Wirkungs-Analyse
- FMEA
- Lego® Serious Play®
- …
- Sammlung von Ideen und Verbesserungsmöglichkeiten
- Bewertung in Bezug auf
- Nutzen
- Wirkung auf die Prozess- und Verbesserungsziele
- Messbarkeit des Nutzens
- Bewertung der Machbarkeit & Aufwand
- Wechselwirkungen mit anderen Prozessen, Zielen und Kennzahlen
- Priorisierung der Ideen
- Anpassung der Prozessdefinition
- Maßnahmenplan und Umsetzung
- Change Management: Information, Kommunikation, Schulung
- Review Erreichung der Prozess- und Verbesserungsziele
- Quantitativer Vergleich mit der Historie
- Rückmeldungen
- Analyse Wirkung auf Ursachen (Verbesserung)
- Einfluss auf andere Prozesse
- Analyse Output in Bezug auf Qualität
- Ableitung von Korrekturmaßnahmen und von neuen Potentiale und Maßnahmen
Fazit
Viele werden darin ihre Praktiken wieder erkennen. Prozessverbesserung und Prozessinnovation ist ein logischer Prozess. Aber was den Unterschied macht, ist die Verankerung: Macht man es adhoc wie es kommt oder macht man es wirklich systematisch und mit strategischer Verankerung.
Und auch der Change und der tatsächliche Nutzen sind essentiell. Man kann einen grandiosen Prozess entwickeln, der die besten Ergebnisse garantiert. Aber wenn man es nicht schafft, ihn in die Organisation zu pflanzen, damit er auch von den Mitarbeitern gelebt und praktiziert wird, werden die Bemühungen keinen Erfolg abwerfen.
Das ist das, was Prozess- und Produktinnovation definitiv gemeinsam haben. Da gibt es keine Unterschiede – in der Innovationskultur.
Buchempfehlung
Eine kleine Lektüre: Reifegrad nach ISO/IEC 15504 (SPiCE) ermitteln von Karl Werner Wagner, Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, 2007
- Das Buch beschreibt vor allem die Anforderungen in den einzelnen Reifegradstufen und die Durchführung eines Assessments. Anwendbar für alle Prozesse, das Buch ist nicht speziell für die ursprüngliche Softwareentwicklung zugeschnitten.
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- Weitere Infos: Gesellschaft für Prozessmanagement – www.prozesse.at