
Silicon Valley
Nach unserem ersten Artikel zur Silicon Valley Mentalität geht es jetzt in die Tiefe der kalifornischen Gründerkultur. Was macht nun diese Mentalität aus …
Dieser Artikel beantwortet die Frage: Warum sind die Unternehmen im Silicon Valley so innovativ und erfolgreich?
Noch schnell vorab. Mit „wir“ und „uns“ spricht der Artikel für uns Europäer, ich vor allem für Österreicher. Und es soll keine Kritik sein. Naja, ein bisschen schon. Es geht darum, die Unterschiede darzustellen. Und jeder kann für sich entscheiden, was gut, schlecht und zu verändern ist. Viel Spaß!
HUNGER NACH NEUEM UND AUSSERGEWÖHNLICHEM
statt ständig Grenzen sehen
Ein großer Unterschied ist der „Hunger nach Neuem“, die Neugierde und die damit verbundene Offenheit gegenüber Neuem. Dabei ist neu nicht nur neu, sondern willkommen sind auch auf den ersten Blick äußerst verrückte und ausgefallene Ideen.
Ein starker Optimismus gegenüber neuen Ideen – im Zweifelsfall immer für die Idee – ist das Credo.
Hierzulande hingegen sieht man bei Neuem immer sofort die Grenzen – „warum was nicht funktionieren kann“ und die Risiken und Gefahren. Anstatt Bitcoins oder selbstfahrende Autos schlecht zu reden, sollte man es einfach mal ausprobieren und sich überzeugen lassen.
Bei uns wird alles immer mit hoher Vorsicht angegangen, jedes Risiko muss minimiert werden und alles muss abgesichert werden.
- Paralyse durch Analyse: Solange analysieren, bis eine Lähmungserscheinung eintritt. Denn jedes untersuchte Detail bringt zwar neue Erkenntnisse, aber auch neue offene Fragen.
- Risikominimierung: Durch das ständige Jeden-Fragen-Müssen und Absichern-Wollen entschleunigt man jedes Projekt. Mario Herger meint, dass man in Deutschland wahrscheinlich aus diesem Grund keine Tempobeschränkungen auf den Autobahnen hat, um die langsamen Entscheidungsprozesse zu kompensieren.
- Und weil man immer den kleinsten gemeinsamen Nenner sucht, wird das Neue nie sehr neu sein.
Außerdem verschwenden wir viel Energie, um Ausreden und Entschuldigungen statt Wege zu finden. Denn viele dieser Risiken und Einschränkungen existieren nur in unserem Kopf.
Silicon Valley Unternehmen sehen nicht mal gesetzliche Regeln als Grenzen, wie Uber und Airbnb zeigen.
Hier noch zwei Beispiele für die europäische Mentalität, auch von Mario Herger:
Der offene Brief an Google von Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender von Axel Springer: „Warum wir Google fürchten“. Diese Aktion steht etwas für eine Hilflosigkeit und den mangelnden Glauben an sich selbst.
„Ich frage mich immer, wie ein Programmierer mit seiner Arbeit entscheiden können soll, ob ein autonom fahrendes Auto im Zweifelsfall nach rechts in den LKW schießt oder nach links in einen Kleinwagen.“ Mit diesem Sager vom damaligen Porschevorsitzenden Matthias Müller wird das autonome Fahren und damit die Investition in disruptive Technologien ins Lächerliche gezogen.
Dabei ist die Haftung die falsche Frage. Denn der Großteil der Unfälle passiert wegen menschlichen Verschuldens und das ist genau das, was autonomes Fahren lösen möchte.
Welches Signal senden die beiden Vorstandsvorsitzenden zum Thema Innovation?
GETTING SHIT DONE
statt Herumdiskutieren
Im Silicon Valley heißt es anpacken, statt immer über die Konsequenzen und Risiken nachzudenken. Tun statt nur Reden. Einfach mal ausprobieren, ob und was funktioniert. Ein guter Spruch aus dem Buch „Etwas an die Wand werfen und sehen, was kleben bleibt.“
Man versucht so schnell wie möglich an die Sache ranzugehen und erste Ergebnisse zu haben.
Diese Mentalität spiegelt sich auch in der gerade voll im Trend stehenden Design Thinking Methode. Man hat eine Idee, macht mal einen kleinen Prototypen, schaut ob es funktioniert, macht weiter oder verwirft ihn und fängt von vorne an (= Pivot).
Neben unserer „Paralyse durch Analyse“ steckt in uns auch ein seltsamer Perfektionismus, der uns an dieser „Trial-and-Error“-Herangehensweise hindert. Geht man im Silicon Valley mit unausgegorenen Ideen sogar zum Kunden, um mal erstes Feedback zu erhalten, tun wir uns schon schwer, Ideen und unausgereifte Konzepte unter Bekannten zu diskutieren. Nämlich aus Angst vor Blamage und Ideendiebstahl.
Dabei kann man Ideen gar nicht stehlen. Denn die Stärke liegt in der Umsetzung. Wird eine Idee gestohlen, war man eben ein schlechter Macher. Darum heißt es auch oft seitens Business Angels, sie investieren nicht in die Idee, sondern in das Team.
Oder in dieselbe Kerbe schlägt das „eskalierende Commitment“. Wenn man zu lange an einer Idee festhält, bis man zu tief drinsteckt, schon zu viel Geld ausgegeben hat, nicht wie ein Narr dastehen will und man sich daher den Misserfolg nicht mehr eingestehen kann, dann reiten wir auch ein totes Pferd.
SCHEITERN ZULASSEN
statt Angst vor Blamage
Das ist wohl der berühmteste und einflussreichste Unterschied.
Dass Scheitern etwas Schlechtes ist, lehrt uns unser ganzes Leben. Das beginnt schon in der Schule, wo unsere Fehler fett und rot markiert werden. Und im Arbeitsleben darf man auch nicht scheitern, sonst steht man als Versager da, der alles nicht ordentlich durchdacht hat. Darum versuchen wir ständig keine Fehler zu machen, um uns nicht zu blamieren.
Aber, wer niemals scheitert, hat nie großes versucht! Scheitern muss erlaubt sein. Denn wer Neues und Großes sucht und probiert, wird auch mal scheitern. Das gehört dazu.
Scheitern oder eigentlich „Riskantes und Neues versuchen“ erfordert ein psychologisches sicheres Umfeld. Das heißt, dass man nicht ausgelacht, bestraft und an den Pranger gestellt wird.
Dazu ist im Buch Silicon Valley Mindset ein gutes Praxisbeispiel aus dem Krankenhausbereich:
Dort wünscht man sich eigentlich kein Fehler, ist ja todernst. Aber wo Menschen arbeiten, passieren immer Fehler. Aber welches Krankenhaus ist das „sichere“, das mit mehr oder weniger dokumentierten Fehlern?
Die Antwort ist, das mit mehr dokumentierten Fehler. Dort herrscht dieses psychologisch sichere Umfeld. Fehler werden nicht vertuscht. So kann schnell auf Behandlungsfehler reagiert werden, es wird daraus gelernt und die Behandlungen werden verbessert. Sind Fehler nicht erlaubt, werden sie verschwiegen um die Konsequenzen für sich zu vermeiden. Aber auf die Behandlungsfehler kann leider auch nicht oder nur zu spät reagiert werden.
THINK BIG – SEHR, SEHR GROSSE ZIELE
statt nur Abcashen

Beispiel für Ten X: Makani Energy Kites von Google. Quelle: http://www.google.com/makani/
Im Silicon Valley möchte man nicht nur kurz mal schnell abcashen. Man möchte etwas verändern, etwas für die Menschheit tun. Es ist nicht nur ein Job, um sich seine Brötchen zu verdienen, man möchte etwas bewegen. Es geht nicht darum, zahlende Kunden zufrieden zu stellen. Es geht nicht um Low-Hanging-Fruits: sondern um Moonshots-Projekte. Bei Google muss ein Projekt mindestens eine 10fache Verbesserung leisten: Stell dir das Größtmögliche vor und verzehnfache ist. „Ten X“ wurde zum Leitmotiv im Silicon Valley.
Die Vision ist hoch gesetzt. Zum Beispiel jene von Steve Jobs: „Eine Delle ins Universum“
Dazu gibt es im Buch „Silicon Valley Mindset“ auch eine interessante Aussage: Europäische Start-ups sind stolz, wenn sie schnell profitabel sind. Im Silicon Valley ist das ein schlechtes Zeichen. Denn es wurde nicht genug Aufwand betrieben, um das Unternehmen zu vergrößern und die Produkte zu optimieren.
Tesla ist hier ein super Beispiel. Die sind jahrelang in der Verlustzone, weil sie alle Energien in die perfekte Entwicklung ihrer Autos steckten. Wir interpretieren das als schlechtes Signal, im Silicon Valley ist das anders.
STÄRKE DURCH ZUSAMMENARBEIT
statt Einzelkampf, Neid und Silodenken
Zusammenarbeiten, um gemeinsam Großes zu erreichen steht im Zentrum. Es geht um die Sache, nicht um Karriere oder Ruhm oder Eigeninteressen.
Im Silicon Valley gibt es keinen Neid, so wie wir in manchmal erleben. Leute, die großes erreicht haben, sind Helden und Vorbilder. Hierzulande sagt man bei Misserfolg „das war eh klar“ und bei Erfolg „er hat einfach Glück gehabt“.
Netzwerken ist ein wichtiger Erfolgsfaktor, denn mit jedem Kontakt lernt man etwas hinzu und es eröffnen sich neue Optionen.
Geben ist ansteckend. „Pay It Forward“ nennt sich das Prinzip, wo man gerne jemanden hilft, auch wenn man von diesem nicht direkt etwas zurückbekommt. Aber wenn jeder zu denkt und handelt, bekommt jeder es irgendwann von irgendjemanden zurück.
Hier wieder eine interessante Aussage aus dem Buch: Wer keinen Investor braucht, braucht im Valley nicht stolz zu sein. Denn erstens könnte man es interpretieren, dass die Idee schlecht war und man niemanden gefunden hat. Aber zweitens, das Wesentlichere, man hat verhindert, dass das Ecosystem an der Wertschöpfung beteiligt wird.
INNOVATION ALS DAILY BUSINESS
statt nur einer F&E-Abteilung
In Konzernen gibt es eine Innovationsabteilung, in einem Start-up macht jeder Innovation. Ein Start-up ist eine Innovation. Die ständige Weiterentwicklung, Verbesserung und der Ausbau sind die Kernaufgaben aller.
In traditionellen Großunternehmen fühlen sich die Mitarbeiter nicht für Innovation verantwortlich. Einerseits gibt es eine F&E-Abteilung, die für Innovation bezahlt wird, aber die ist meist zu weit vom Markt entfernt. Weiters wurden viele Unternehmen zu einer Zeit gegründet, wo Taylorismus herrschte und Denken und Handeln getrennt war. Darum und auch aufgrund der erfolgreichen Vergangenheit war es auch nicht notwendig, dass alle innovieren, dieses Mindset steckt noch in den Köpfen.
F&E-Abteilungen können auch in ein Dilemma geraten, nämlich wenn sie zu viel F&E-Budget haben. Denn dann werden zu viele Themen aufgegriffen, die Fokussierung fehlt und das wirkt sich wieder innovationshemmend aus.
In Silicon Valley Unternehmen ist jeder für Innovation zuständig, wie beispielsweise die Google 20%-Regel zeigt. Mitarbeiter brauchen nicht nur Zeit zur Ausführung ihrer Aufgaben, sondern auch für Entdeckungsaufgaben. Leider gönnen sich hier viele CEOs und Führungskräfte nicht mal selbst diese Zeit.
Innovation lernt man nicht in der Schule. Während amerikanische Schüler Kekse verkaufen, Spenden sammeln oder Forschungsprojekte machen, ist dieser Entrepreneurial Spirit in den europäischen Schulen und Universitäten noch nicht so präsent.
Auch europäische Universitäten fühlen sich selbst für Innovation nicht verantwortlich, zählen doch vor allem wissenschaftliche Publikationen und Patente. Und damit hat man noch nichts verändert und verbessert.
Zusammenfassung
Wie man sieht, liegt der Erfolg in den Menschen und in der Kultur. In Unternehmen ist der größte Erfolgsfaktor für Innovation die Innovationskultur. Eine Innovation scheitert im Prinzip nicht an Technologien oder Prozessen, sondern an den Menschen.
Man kann viel ändern. Und jeder kann entscheiden, was er ändern will.
- Hunger nach Neuem – Sei offen für Neues und Außergewöhnliches!
- Nichts ist unmöglich – Sei optimistisch und sehe das Positive!
- Tun statt Reden – Schau einfach mal was funktioniert!
- Wer nicht scheitert, hat auch nichts probiert. – Hab keine Angst vor dem Scheitern!
- Was bewegen statt nur abcashen. Setz dir große Ziele!
- Jeder Kontakt bringt neue Sichtweisen, Know-How und Optionen. Kooperiere und denke über Grenzen!
- Innovation ist das Business!
In unserem nächsten und finalen Artikel geht es darum, warum gerade der Silicon Valley so innovativ ist und was ich ändern kann?
Quelle & Inspiration:
Das Silicon Valley Mindset. Was wir vom Innovationsweltmeister lernen und mit unseren Stärken verbinden können. von Mario Herger: http://amzn.to/232Puv1
Ein spitzen Buch, von einem Insider mit viele Erfahrung, bestens recherchiert und analysiert, top fundiert, viele Beispiele, … und das Augen öffnet und das Denken und Handeln ändert.
Weiterer empfehlenswerter Artikel: http://blog.zukunft-personal.de/de/2016/05/03/silicon-valley-spirit-was-taugt-davon-fuer-die-deutsche-praxis/
Hallo Maria,
eine super Zusammenfassung zum Buch. Und – leider – so auf den Punkt unserer europäischen (ich beziehe es nicht nur auf Österreich) Innovations-Kultur. Es gibt so viele „blöde“ Sprüche dazu: Nicht quatschen, sondern machen. Nicht nach Ausreden und Problemen suchen, sondern nach Lösungen. So abgedroschen diese auch klingen. Sie treffen mitten ins Schwarze.
Es scheint wirklich eine Kultur, Gesellschafts- oder Mentalitätsfrage zu sein. Vielleicht auch über die geschichtliche Entwicklung zu erklären. Auch im Silicon Valley ist nicht alles Gold. Aber etwas mehr davon in Europa könnte uns nicht schaden! Ich warte darauf bis die deutsche Automobil Industrie „fliegende Autos“ präsentiert – als nächste Stufe (:->)
Also, lass uns Europa verändern und Silicon Europe erschaffen!
Nö geht ja nicht, weil ….
Guter Artikel – danke!
LG Martin
Hallo Martin,
danke für deinen Kommentar.
Ja leider ist es so. Ich erlebe es auch immer wieder, dass es nicht an Prozessen, guten Ideen usw. scheitert, sondern immer an den Menschen und deren Engagement, Commitment, Optimismus, Enthusiasmus ….
Liebe Grüße,
Maria